Artenschutzprojekt "Flussseeschwalbe"

Flussseeschwalben sind wunderschöne Vögel, die in Bayern ursprünglich auf Kiesinseln der voralpinen Flusssysteme brüteten. Durch Flussverbauung und einen ständig zunehmenden Freizeitdruck sind alle natürlichen Brutplätze jedoch seit Jahrzehnten erloschen. Lediglich auf eigens für sie angelegten Nistinseln und Nistflößen konnten die seltenen Seeschwalben in Bayern überleben. Und dies nicht schlecht:  Nach einem Bestandstief von nur noch etwa 30 Brutpaaren im Jahr 1982 - davon gut zwei Drittel an den Isarstauseen - gibt es mittlerweile wieder etwa 300 Brutpaare im Freistaat. Trotz dieser positiven Bestandsentwicklung ist die Flussseeschwalbe in der Roten Liste Bayerns aber weiterhin als "Vom Aussterben bedroht" eingestuft, da sich der Großteil der bayerischen Seeschwalben auf nur einige wenige Standorte konzentriert, die weiterhin intensiv betreut werden müssen.



Über 1000 junge Flussseeschwalben an den Mittleren Isarstauseen

Einer der bayerischen Bestandsschwerpunkte der Flussseeschwalbe befindet sich nach wie vor an den Mittleren Isarstauseen. Hier führen wir seit Mitte der 1970er Jahre ein überaus erfolgreiches Artenschutzprojekt durch, aus dem bislang weit über 1000 flügge Seeschwalben hervorgingen. Ein sicherlich einzigartiger Wert für Bayern und gewiss auch entscheidend für die oben beschriebene landesweite Bestandserholung. Derzeit brüten auf unseren beiden Nistflößen im Echinger Stausee alljährlich gut 40 Paare. Gebaut wurden die Flöße von den Stadtwerken München (SWM). Diese sind Eigentümer der beiden Stauseen und haben, wenn es um die Seeschwalben geht, immer ein offenes Ohr für uns. Wir halten die durch Wind, Wasser und Eis stark strapazierten Flöße regelmäßig in Schuss, dokumentieren das Brutgeschehen und bewachen die Brutkolonien vor Störungen. 


Wie weit dürfen Artenschützer gehen ?

Einen wichtigen Flussseeschwalben-Brutplatz an der Mittleren Isar haben wir kürzlich leider verloren: Den Moosburger Stausee, wo in früheren Jahren bis zu 45 Seeschwalben-Paare mit zumeist sehr gutem Reproduktionserfolg ihre Jungen aufzogen. Auf der dortigen Insel nistet jetzt ein Brutpaar der Mittelmeermöwe. Mittelmeermöwen sind kräftige, bussardgroße Vögel, die wie Flussseeschwalben gerne auf unzugänglichen Inseln oder Flößen brüten. Wo sie sich angesiedelt haben, hat sich für die Flussseeschwalbe die Sache zumeist erledigt - nur auf größeren Inseln kommen die Seeschwalben mit ihren ungleich größeren Verwandten halbwegs klar.





Am Echinger Stausee konnten wir die Konkurrenzsituation zwischen Seeschwalben und Mittelmeermöwen bereits vor vielen Jahren durch die Einbringung zusätzlicher, ufernaher Nistflöße lösen. Beide Arten brüten hier seither räumlich getrennt. Am Moosburger Stausee ist dies u.a. wegen des sehr starken Eis- und Wellenganges leider nicht praktikabel. Flussseeschwalben hätten hier also nur dann eine Chance, wenn Mittelmeermöwen regelrecht "bekämpft" würden - dauerhaft und massiv: Durch regelmäßiges Zerstören von Gelegen und möglicherweise sogar noch weitergehende Maßnahmen. So bedauerlich dies aus der Sicht des Flussseeschwalbenschutzes auch sein mag, aber nach unserer Auffassung rechtfertigt die aktuelle Bestandssituation der Flussseeschwalbe derart schwerwiegende Eingriffe nicht.


































Flussseeschwalben und Sturmmöwen zwischen Badegästen

Seit einigen Jahren hat sich isarabwärts von Landshut eine neue Brutkolonie der Flussseeschwalbe etabliert. Sie befindet sich auf einer etwa 900 Quadratmeter großen Insel inmitten eines Freizeit- und Badesees (!) bei Wörth. Im Gegensatz zu unseren  Nistflößen an den Mittleren Isarstauseen brüten die Seeschwalben hier unter sehr naturnahen Bedingungen, gemeinsam mit Mittelmeer- und Sturmmöwen. Einzelheiten zu diesem Projekt finden Sie hier.



"Problemvogel" Wanderfalke

Unsere zunächst große Freude über die Ansiedlung des Wanderfalken am Landshuter Martinsturm hat sich mittlerweile doch merklich gelegt. Ernähren sich die schnellen Jäger doch keineswegs nur von Stadttauben, sondern offensichtlich in nicht unerheblichem Umfang auch von Rote-Liste-Arten wie Waldschnepfe, Brachvogel und ... Flussseeschwalbe. Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung zum Nahrungsspektrum von an beleuchteten Gebäuden brütenden Wanderfalken hat diesbezüglich fast schon erschreckende Ergebnisse erbracht: Erbeutet werden überwiegend Raritäten, vom Wachtelkönig bis zum Regenbrachvogel.
 
Ob der Landshuter Wanderfalke für den Flussseeschwalben-Bestand an der Mittleren Isar zu einem ernsthaften Problem wird, muss sich zeigen. Auszuschließen ist dies jedoch nicht, da Flussseeschwalben eine vergleichsweise geringe jährliche Reproduktionsrate haben, dafür aber ein hohes Lebensalter erreichen (müssen).  

Seeschwalbenkopf  Seeschwalbenkopf

Jedenfalls zeigt uns diese Problematik wieder einmal, dass Artenschutzerfolge fast immer auch eine Kehrseite haben. Artenschutzprojekte sind also keinesfalls a priori "gut" oder "richtig". Schließlich gibt es bei jeder erfolgreichen Förderung erwünschter Arten immer auch Verlierer: Die Ansiedlung von Höhlenbrütern kollidiert mit dem Schutz seltener Tagfalter, Weißstörche sind mancherorts die Hauptprädatoren junger Wiesenbrüter, in den Gewöllen des seltenen Uhus finden sich die Reste des noch selteneren Wachtelkönigs und ein erfolgreicher Flussseeschwalbenschutz bringt möglicherweise die eine oder andere lokal gefährdete Fischart in Bedrängnis. In den allermeisten Fällen kennen wir die Verlierer unserer Artenschutzbemühungen nicht einmal.

Was also tun? Zumindest sollten wir all dies nicht ganz vergessen, wenn wir unsere Umwelt mit Nistflößen, Nistplattformen und Nistkästen bestücken ...